Die Entwicklung der Landmaschinenfabrik van Lengerich in den letzten 150 Jahren
Im Gründungsjahr 1860 ist der Raum Emsbüren insbesondere geprägt durch die Landwirtschaft und das Handwerk. Daran wird sich auch in den folgenden Jahrzehnten noch wenig ändern.
Man kann in diesen Jahren allerdings insgesamt von einem Wendepunkt sprechen. Während die zurückliegenden Jahrzehnte geprägt waren von Not und Elend breiter Bevölkerungsteile, die sich neben einer großen Auswanderungswelle nach Nordamerika und auch in der Revolution 1848 zeigten, beginnt nun auch in Deutschland die industrielle Revolution.
Insbesondere das Ruhrgebiet entwickelt sich enorm. Die Stahlproduktion nimmt stark zu. Eisenbahnlinien entstehen. Die Bauern können sich aus der Lehnsabhängigkeit der geistlichen und weltlichen Fürsten freikaufen und nun eigenständig entwickeln. Das setzt neue Kräfte frei. Durch die Erfindungen des Justus Liebig im Bereich des Kunstdüngers und der Entstehung des Bankwesens durch die Ideen des Wilhelm Raiffeisen wird nun auch in Deutschland ein Fortschritt in den verschiedensten Lebensbereichen möglich.
Gerhard van Lengerich
Auch der Schmied Gerhard van Lengerich in Emsbüren zeigt sich erfinderisch: Bei technischen Problemen wusste er stets Rat, und mehr und mehr konnte er sich die Achtung seiner Kunden durch das Austüfteln immer neuer technischer Verbesserungen an den herkömmlichen Landmaschinen verschaffen. Und als zweites finanzielles Standbein war da ja schließlich auch noch die im eigenen Hause betriebene Schankwirtschaft.
Für seine Ideen für eine Häckselmaschine erhält er im Jahre 1875 auf einer landwirtschaftlichen Ausstellung ein Diplom für seine Erfindung. Er stirbt jedoch einen Monat später.
Bernard van Lengerich
Sein ältester Sohn Bernard ist zu diesem Zeitpunkt gerade 14 Jahre alt und mit seinen drei jüngeren Geschwistern Vollwaise, denn die Mutter war schon vier Jahre vorher im Alter von nur 40 Jahren gestorben. In dieser traurigen Situation kommt Hilfe vom damaligen Kaplan Hanker, der engagiert eine Haushälterin und sorgt dafür, dass der väterliche Handwerksbetrieb einen Verwalter erhält. Bernard erlernt ebenfalls dem Schmiedeberuf in Rheine.
Danach übernimmt er unter schwierigen Bedingungen den elterlichen Betrieb und bildet seinen jüngeren Bruder Johann ebenfalls in diesem Beruf aus. Damit erhält er eine wichtige Stütze. Beide erkennen zukunftsgerichtet, dass die Mechanisierung in der Landwirtschaft unaufhaltsam fortschreitet und man wendet sich zusätzlich dem Handel mit Landmaschinen zu. Für noch wichtiger erachten es die beiden, eigene Maschinen zu konstruieren und dann auch im eigenen Betrieb zu bauen.
So wird der Schmiedebetrieb von der reinen Menschenkraft am Ende des 19 Jahrhunderts zunächst durch einen 2 PS starken Petroleummotor umgestellt, was das Bohren und die Schmiergelarbeiten deutlich vereinfachte.
Wenig später kommt eine 12 PS Dampfmaschine zum Einsatz und es wird eine 30 m lange Produktionshalle gebaut. Nun wird die Pionierleistung verbracht, insbesondere die Ganzeisen - Pflüge in ihren Weiterentwicklungen revolutionieren die damalige Feldbearbeitung und erhöhen die Ernteerträge deutlich. So war „Plogbernd“ maßgebender Pionier der Landtechnik, die es den Bauern zunehmend ermöglichte, ohne Heuerleute ihre Höfe zu bewirtschaften.
Diese Ackergeräte aus Holz machten einen ertragreichen Ackerbau nahezu unmöglich! Erst die von Bernhard van Lengerich entwickelten Ganzstahl – Pflüge verbesserten die Bodenbearbeitung wesentlich. Damit begann die Umstrukturierung in der Landwirtschaft.
Dieser Pflug steht im Openlichtmuseum in Ootmarsum: Ein Kipppflung
Waltraud Sievering
Wilhelm van Lengerich
Bernard van Lengerich
Bernhard Sievering
Bernard van Lengerich
Der älteste Sohn Wilhelm
übernahm dann die Weiterentwicklung der Maschinenfabrik.
Theodor war zuständig für den
Landmaschinenhandel
und Heinrich übernahm den
kaufmännischen Bereich.
So hatten die bisherigen handwerklichen Schwerpunkte Hufbeschlag und der Wagenbau zunehmend an Bedeutung verloren.
Im Jahre 1902 waren schon zwei Gesellen und zwei Lehrlinge eingestellt.
Da die Landwirtschaft insgesamt einen enormen Aufschwung nahm durch die eingeführte künstliche Düngung und durch zunehmende Zuchterfolge, waren die Maschinen entsprechend gefragt. Auch konnten die Bauern sich nun Geld besorgen bei den neu gegründeten Genossenschaftsbanken. Ihr in Milchleistung und Fleischansatz erfolgreiches Zuchtvieh konnten sie günstig auf dem Viehmarkt in Lingen anbieten, der in dem Folgejahren zum größten Viehmarkt in Deutschland wurde.
Durch die Eisenbahnanbindung konnten sie unproblematisch das Schlachtvieh in das benachbarte Ruhrgebiet verkaufen.
All diese Fortschritte ermöglichten es den Landwirten, sich Maschinen in zunehmendem Maße zu besorgen. Auf diesem Sektor wurde bei van Lengerich neben der Eigenproduktion auch der Maschinenhandel erfolgreich ausgeweitet.
Als verkaufsfördernd erwiesen sich auch die aufkommenden Zuchtausstellungen, die sich zunehmend zu Landwirtschaftsschauen entwickelten. Dort konnte man einen interessierten Fachpublikum die neuesten Errungenschaften rund um die Landtechnik präsentieren.
Zunehmen bekam „Plogbernd“ - so nannte man Bernard van Lengerich anerkennend - dann Unterstützung von seinen drei ältesten Söhnen.
In ihren Wanderlehrjahren waren sie abwechselnd bei bedeutenden deutschen Maschinenherstellern beschäftigt und brachten so die neusten Erkenntnisse mit nach Emsbüren in den elterlichen Betrieb.
Der älteste Sohn Wilhelm übernahm dann die Weiterentwicklung der Maschinenfabrik.
Einen tiefen Einschnitt erfuhr das Unternehmen durch den ersten Weltkrieg: Wilhelm und Theodor wurde mit Kriegsbeginn eingezogen, auch Heinrich musste das letzte Kriegsjahr noch als Soldat in den Kampf.
Sie kamen jedoch unversehrt wieder in die Heimat. Obwohl in den folgenden Jahren für die deutsche Landwirtschaft eine schwere Zeit heranbrach in Begleitung der Weltwirtschaftskrise, konnte sich das Unternehmen van Lengerich sich stetig weiterentwickeln und eine neue Produktionsstätte wurde an der Bahn gebaut. Mittlerweile hatte man sich auch eine Elektroabteilung aufgebaut.
Ein weiterer tiefer Einschnitt in die Firmengeschichte war der Beginn des 2. Weltkrieges. Viele Beschäftigte wurden eingezogen.
Nach dem Krieg begann nach wenigen Jahren ein bedeutender weiterer Aufstieg im Rahmen des sog. Wirtschaftswunders. Neue und größere Maschinen wurden mit in die Produktion aufgenommen wie Miststreuer, Ladewagen und Rübenziehmaschinen. Ein ganz besonderer Erfolg später wurde der „Silostar“
Mit Waltraud Sievering und Wilhelm van Lengerich übernahm die nächste Generation die Geschäftsleitung.
Heute führt die fünfte Generation das Unternehmen mit Bernard van Lengerich und Bernhard Sievering.
Der Gesamtbetrieb wurde dann seit 1989 um einen weiteren Bereich, der Oberflächentechnik, erweitert.