Heimkehr von Hans Albers
Hubert Hölscher Januar 2016
Wir schreiben das Jahr 1949. Es ist einige Tage vor Ostern. Meine Oma (Elisabeth Albers) liegt noch immer schwer krank zuhause im Bett. Die Krankheit: das Warten auf ihren Sohn Hans, der noch immer in russischer Gefangenschaft ist. Eine gute Nachricht erreichte die Familie. Hans Albers könnte unter einem Teil von Kriegsgefangenen sein, die Deutschland in Kürze erreichten. Dann die erlösende Nachricht, er kommt zurück. Man bereitete Oma Albers langsam darauf vor, daß ihr Sohn wohl unter den ausgelieferten Kriegsgefangenen sei. Sie wurde sichtlich unruhiger.
Es war einen Tag vor Ostern, ich durfte mit zum Bahnhof nach Leschede, um Onkel Hans abzuholen. Was ich dort sah, werde ich im Leben nicht vergessen. Eine hagere Gestalt, blass und eingefallen, kaum in der Lage richtig zu gehen, kam uns aus dem Zug entgegen. Wir Kinder, auch seine Tochter Elisabeth, die er noch nicht gesehen hatte, waren dabei, wir bekamen fast Angst vor dieser Gestalt. Aber es war der Vater von Elisabeth, unser Onkel Hans. Das Wiedersehen mit seiner Familie und seinen Verwandten war geprägt von einer stillen Freude. Wir gingen zu uns (Gaststätte Franz Hölscher) nach Haus. Unsere Oma wurde darauf vorbereitet, dass ihr Sohn Hans nach Hause komme. Ihre Unruhe nahm noch mehr zu. Als dann Onkel Hans das Zimmer seiner Mutter betrat, geschah für uns etwas Unbegreifliches. Oma stand auf und war fast völlig gesund. Auch wenn man nicht an Wunder glauben möchte: hier war gerade eines geschehen. In der Heimat erholte Onkel Hans sich relativ schnell.
Er begann, wie schon zuvor unser Onkel Hermann, bei der Firma van Lengerich seine Arbeit. Bis zu seiner Pension blieb er der Firma treu und begleitete sie auch durch schwere Zeiten. Nicht unerwähnt bleiben soll hier auch, daß Hans Albers in der russischen Kriegsgefangenschaft von seinen Mitgefangenen zum Lagerkommandanten gewählt wurde. Die Familie Albers ist im Besitz von einer grossen Anzahl von Dankesbriefen der Mitgefangenen und auch von Eltern junger Gefangener, die ausschließlich von Glück sprechen, ihn als Kommandanten gehabt zu haben.
Erst jetzt erfuhren wir, dass er am Anfang der Gefangenschaft einen 17 jährigen jungen Mann unter seine Fittiche nahm und, wie dieser später selbst erzählte, durch die schwere Zeit begleitete. Der junge Mann erzählte unserer Familie: Ich hätte niemals überlebt, wenn ich Hans Albers nicht an meiner Seite gehabt hätte. Sie wurden Freunde fürs Leben, sogar bis in den Tod. Der junge Mann übernahm nach der Gefangenschaft einen kleinen Lebensmittelladen mit kleiner Gaststätte in Haren-Erika. Das Emsland war eine der ärmsten Regionen Deutschlands. Mutige Männer gründeten die Emsland GmbH und fingen an, das Emsland zu kultivieren. Heute im Jahre 2015 gehört das Emsland zu den blühendsten Regionen Deutschlands. In der Gaststätte des jungen Spätheimkehrers trafen sich auch die Männer der Emsland GmbH um über die Vergabe von Aufträgen zu verhandeln. Der Wirt bekam natürlich einige Gespräche mit. In ihm wuchs der Gedanke, sich als Tiefbauunternehmer selbständig zu machen.
Aber woher 5000.- DM für eine Raupe nehmen. Die Banken in Haren waren nicht bereit, das Darlehen zu gewähren. Er sprach seinen Freund Hans Albers an und erzählte ihm von seinen Gedanken. Dieser war sofort begeistert von dieser Idee. 5000.- DM hatte er auch nicht zur Verfügung. Aber da war sein Schwager, der erst 1931 nach Emsbüren gekommen war. Es war der Leiter der Raiffeisenbank in Emsbüren, Bernhard Tentrup, den man von der Deutschen Bank Münster, nach Emsbüren geholt hatte. Im Jahre 1959 wurde B. Tentrup wegen seiner Verdienste um das Bankwesen zum Direktor ernannt. Auf diesen Titel legte er keinen Wert und so hat es kaum einer in Emsbüren gewusst. Auch er konnte nicht so einfach einem für ihn fremden Menschen 5000.- DM zur Verfügung stellen. Kurzerhand bürgte Hans Albers für seinen Freund mit dem eigenen Haus. Das Geld floss. So entstand die Firma Gerhard Knoll in Haren.
Wenn ich oben von Freundschaft bis in den Tod geschrieben habe, so möchte ich es auch erläutern. Herr Gerhard Knoll litt an einem Herzfehler der damals nur in England behandelt werden konnte. G. Knoll wollte sich der Operation nur unterziehen, wenn sein Freund Hans Albers ihn begleiten würde. H. Albers überwand seine Angst vor dem Fliegen und begleitete seinen Freund nach London. Die Operation war erfolgreich. Nach der Operation wurde G. Knoll von einem Virus befallen, den er nicht überlebte. So brachte Hans Albers seinen Freund zum zweiten mal zurück in die Heimat. Allerdings als Toten. Von diesem Schock hat Hans Albers sich bis zu seinem Tode nie richtig erholt.
Die Freundschaft zwischen den Familien besteht über den Tod der beiden hinaus bis auf den heutigen Tag..
Bernd Robben arbeitete an seinem Buch „Die letzten 80 Jahre im Emsland“. Er sprach mich an, ob ich eine Verbindung zur Fa. Knoll hätte. Die habe ich und zwar direkt. Bernd schaute mich verdutzt an als ich die Nummer der Firma direkt vom Handy aus anwählte. Anruf: „Fa. Knoll, was kann ich für sie tun“? „Verbinden sie mich bitte mir Herrn Dr.Knoll jun.“. Sekretariat: „Herr Dr. Knoll ist in einer Besprechung“. „Bestellen sie ihm einen schönen Gruß von Hubert Hölscher aus Emsbüren“. „ Aus Emsbüren? Einen Moment, ich stelle durch“. Dr. G. Knoll gab das Gespräch zurück ans Sekretariat, mit dem Hinweis uns einen Termin für einen halben Tag zu geben. Was Bernd und ich an diesem Termin für ein ergreifendes Gespräch führen durften, darüber möchten wir nicht schreiben.
H.H.
Typisch Typisch Pöttker
"Der Papst ist tot…"
nach einer Erzählung von Bernhard Tönnis
Am Abend des Pfingstmontages 1963 verstarb Papst Johannes XXIII.
Traditionsgemäß beginnt an jedem Pfingstmontag das Schützenfest der Bürgerschützen Emsbüren, das am nächsten Tag dann mit dem Königsschießen, einer Polonaise durchs Dorf und dem anschließenden Königsball seinen Abschluss findet. Damals war ich 14 Jahre alt, Messdiener und rechnete es mir als besondere Ehre an, während der HI. Messe für die gefallenen, vermissten und verstorbenen Schützenbrüder die Rolle des Messdieners zu übernehmen.
Alles lief normal ab, ein wenig verwundert war ich allerdings schon, dass der Kaplan Schipper, der die HI. Messe feierte, den Vorstand nach der Messe in die Sakristei bat. Es ging dann in einer erregten Diskussion nicht mehr und nicht weniger um die Forderung, nicht Bitte des Kaplans, das Schützenfest 1963 ausfallen zu lassen. Der Tod des HI. Vaters verlange dies. Der amtierende Pastor, Hubert Meyer zu Schlochtern, befand sich seit dem Vorabend nicht in Emsbüren und war auch nicht erreichbar. Der Vorstand machte keinen Zusagen, sondern wollte alle Schützenbrüder in einer kurzfristig anberaumten Versammlung im Festsaal Möller darüber entscheiden lassen.
Diese Diskussion führte zu dem überwiegend einstimmigen Beschluss, die Polonaise ausfallen zu lassen, das Schützenfest aber wie gewohnt durchzuführen.
Abstimmen mit der großen Mehrheit ist die eine Sache, gezielt auf den Vogel zu schießen, um der Bürgerschützenkönig 1963 zu werden, die andere. Die ernsthafte Beteiligung an einem gezielten Schießen war äußerst gering, die Organisation schleppte sich von einer Schießpause zur nächsten. Kein Schützenbruder wollte sich offenbar durch den Königsschuß in eine offene Konfrontation mit der Geistlichkeit bringen oder bringen lassen. Weit nach Mittag erschien der Schützenbruder Heinrich Leveling, der vermutlich durch Händlergeschäfte aufgehalten worden war, auf dem Festplatz und fragte, wer denn den Vogel abgeschossen habe. Ich sehe noch heute seinen erstaunten Blick, als er den noch an der Stange befindlichen Königsvogel sah. Heinz ließ sich in die Schießliste eintragen, ging ans Gewehr und machte mit dem Vogel kurzen Prozess. Der Schützenkönig 1963 hieß Heinrich Leveling und zur Königin erwählte er — meine Schwester. Was dieses für Diskussionen bei uns zu Hause auslöste, ist eine andere Geschichte.
Dieses Verhalten ist für Pöttker zutiefst charakterisierend; dem Wahlspruch der Sachsen entsprechend „Watt mott, datt mott" hat er immer gewusst, dass Probleme in aller Regel nicht gelöst werden durch Nichtstun. Probleme müssen angefasst werden, auch wenn man es recht machen kann.
(BR)
Wenn auch der Viehhandel in der Grafschaft und im Emsland von den Abläufen nahezu identisch ist, musste Pöttker doch auf die unterschiedliche Mentalität der Bauern der jeweiligen Region Rücksicht nehmen, die insbesondere Glaubenshintergründe hatte. So wurde er daran wieder einmal unsanft bei einem Pferdehandel im Jahre 1959 auf einem Hof in der Nähe von Schüttorf erinnert.
Er brauchte dringend ein Pferd für einen guten Kunden im Emsland. Und er wusste, dass der Grafschafter ein gutes Zugtier verkaufen wollte. Also fuhr er hin und ließ sich nach einem ausgiebigen Vorgespräch das Pferd vorstellen. Er fragte nach der Preisvorstellung des Bauern, ganz nach Händlerart. Dieser forderte kurz und knapp tausend Mark, ein durchaus passender Preis. Aber Pöttker wäre kein Viehhändler gewesen, hätte er die Summe sofort akzeptiert. Datt i aber verdüvelt vull Geld, entgegnete er und bot 800 DM. Sofort zog der Grafschafter Bauer das Pferd wieder in den Stall und sagte mit sehr ernster Miene: Datt Perd kannste vandage nich kopen! Nun fiel es Pöttker siedend heiß ein: Sein Preiskommentar kam einem Fluch gleich. Damit hatte er Glaubensgefühle des altreformierten Bauern verletzt. Zwei Tage später hat er das Pferd dann für einen Tausender aufkaufen können, wohl wissend, dass ihm sein verbaler Ausrutscher mindestens einhundert Mark gekostet hatte…
(BR)
Da ich auch in der Grafschaft handelte, kam ich zu Bauern in unmittelbarer Grenznähe. Dabei lernte ich einen Landwirt kennen, der als Traktatbauer direkt an der Grenze auch Wiesen auf holländischer Seite hatte, sein Besitz lag also sowohl auf deutscher als auch auf niederländischem Gebiet. Ich konnte so ganz legal auf seinem Bauernhof fahren und von dort Vieh abholen.
Natürlich war das auch Zöllnern bekannt. ,,Gewöhnlich stand ich morgens um 4:00 Uhr auf, um spätestens um 5:00 Uhr bei den Bauern das Vieh abzuholen. Für diesen Bauern in Grenznähe war ich dann noch früher auf den Beinen und holte schon um Mitternacht das vereinbarte Vieh ab. Das konnten Pferde aus Österreich sein, aber auch junges Rindvieh.
Mir fiel dabei immer wieder auf, dass die Bauersleute die Tiere mit einem Kopfstrick auf der Diele angebunden hatten, wobei sie darauf achteten, dass der untere Teil der Stricks rund ums Maul für die Zeit des Verladens so angezogen war, dass dort kein MUH herauskam.
Das hatte aber nichts mit Tierquälerei zu tun, die Rinder hatten nur ganz einfach ihre Schnauze zu halten.
Ich habe aber auch durchaus über die normale Grenzabfertigung mit holländischen Bauern und Viehhändlern Geschäfte gemacht.
Das kam insbesondere deshalb, weil im Gegensatz zu Deutschland bei relativ stabilen Rindviehpreisen in Holland die Preise sehr schwankten: Mal lohnte es sich für mich, in Holland günstig einzukaufen, mal war es besser, deutsches Vieh in Holland zu verkaufen.
So war die Grenznähe für mich durchaus von Vorteil. Für die Generation der Viehhändler vor dem Kriege war insbesondere der illegale Pferdehandel über die grüne Grenze hinweg wohl besonders lukrativ, aber auch sehr gefährlich, weil man sich dabei dicke Strafen bis hin zu längeren Gefängnisaufenthalten einfangen konnte.
Drei Viehhändler hielten auf Gedeih und Verderb zusammen
So ist noch folgende Geschichte in Emsbüren bekannt: Drei Viehkaufleute aus diesem Raum hatten sich darauf spezialisiert, einen reges Pferdegeschäft mit Holland teilweise unter Ausschluss der Zollbeamten zu betreiben, teilweise waren diese auch beteiligt, indem die Händler von den Zöllnern Hinweise bekamen, wann und wo die grüne Grenze frei war. In Gegenleitung erhielten die Beamten dann ein Handgeld von den Pferdekaufleuten, das sie zur Aufbesserung ihres schmalen Beamtengeldes auch gut gebrauchen konnten. Als dann doch einer der Händler dabei verhaftet wurde, hat er trotz Angebot einer Haftverkürzung die beiden anderen nicht verraten.
Diese beiden Handelskollegen haben sich dafür großzügig revanchiert: Als ihr Kumpel nach etlicher Zeit das Gefängnis wieder verlassen konnte, hatten sie ihm als Dank ein Wohnhaus gebaut. Da seine Frau in dieser Zeit über keinerlei finanzielle Mittel verfügte, haben die Nachbarn und auch andere Dorfbewohner sie großzügig mit allem versorgt, so erzählen auch die Nachfahren.
Typisch Pöttker - Rauchaufgabe…
Lange Jahre habe ich Zigarren geraucht, nein eher geschmaucht. So bekam ich zu einem besonderen Geburtstag – das sind jetzt schon mehr als zehn Jahre her – von allen Seiten eine solche Fülle an Rauchwaren geschenkt, dass mir schon beim Anblick davon schlecht wurde. Ich habe alle Schachteln und Sonderverpackungen auf einen großen Tisch gepackt und mir die Bescherung angeguckt.
Dabei wurde mir unmissverständlich klar: Wenn du das alles rauchst, stirbst du garantiert eher. Ich habe die Ladung Zigarren in verschiedene Plastiktüten gepackt, ins Auto gelegt und bei der Kundenrundreise großzügig verteilt.
Seitdem bin ich rauchfrei, und das tut mir sehr gut.
Über einen besonderen Schalk berichtet seine Tochter Kerstin. Über diese wahre Begebenheit ist seiner Zeit ausführlich in der Lingener Tagespost berichtet worden.
Keiner wusste genau, wer hat hier die Jäger so blamiert. Vermutet haben im südlichen Emsland natürlich viele, dass hier eigentlich nur Pöttker am Werke gewesen sein kann…
"Mein Vater war und ist auch heute noch immer wieder zu Schabernack aufgelegt. Seine letzte Untat war es , einen ausgestopften Fuchs bei einer Treibjagd aufzustellen. Er hatte es schon im Jahr vorher gemacht, aber dann haben die Jäger ein anderes Feld bejagt und somit musste er sein Vorhaben nochmal verschieben."
Artikel aus der Lingener Tagespost vom 02.01.2009:
Jagdtag in einem Revier im südlichen Emsland
Frühmorgens ist ein Jäger mit dem Auto auf abschließender Kontrollfahrt unterwegs. Mit dem Fernglas leuchtet der Weidgeselle Feld und Flur ab. Plötzlich hält der Beobachter inne: Am Straßenrand in einiger Entfernung steht ein Fuchs in bester Vorstehmanier(…).
Der Rotrock zeigt keinerlei Regung und scheint nach Meinung des Jägers einem Hasen oder vielleicht einem Fasan „vorzustehen”.
„So ein Mist”, entfleucht es dem erfahrenen Jäger, nachdem er registriert hat, dass er keine Jagdbüchse dabei hat.
Kurz entschlossen macht er sich auf den Heimweg, um die Waffe zu holen. Wie erhofft, steht der Fuchs nach der Rückkehr immer noch in gleicher Vorstehmanier am Straßenrand. Der Jäger legt an: Bautz!
Doch der offensichtliche Volltreffer zeigt keinerlei Wirkung beim Fuchs. Auch nach dem zweiten Treffer steht er wie angewurzelt da. Der Jäger wird misstrauisch und geht auf den Fuchs zu: Husch, husch und Händeklatschen zeigen auch keinen nachhaltigen Erfolg. Erst jetzt erkennt der Jäger, dass er wohl einem „unverzeihlichen” Schabernack eines Jagdfreundes aufgesessen ist: Es handelt sich um ein ausgestopftes Exemplar des roten Beutegreifers.
Nachmittags postieren sich die Jäger und ihre Gäste bei der Treibjagd um ein großes Senfstück. Bautz! schallt es schon bald durch die kalte Natur. Ein Jagdgast hat den Fuchs am Straßenrand entdeckt und feuert eine Breitseite Schrot ab. Doch der Fuchs regt sich nicht…
Zufällig, wirklich rein zufällig fahren meine Eltern gerade vorbei, als die Jäger sich den “erlegten” Fuchs anschauen.
Die Geschichte spricht sich schnell im Dorf herum. In einer Kneipe schlagen sich die Gäste abends vor Vergnügen auf die Schenkel und so hieß es oftmals: “Vertell äs - wu was datt noch met denn Voss.”
Irgendwann hatte man auch Papa im Verdacht, aber direkt gefragt hat ihn niemand und deshalb hat er dazu immer nur geschmunzelt.
Nur ein Bauer sagte mal zu ihm: Heine, wenn du mal wieder einen Fuchs brauchst, ich hab noch einen auf der Diele stehen.
(BR)
BR aus: Hermann Paus – Aus dem Jungen wird nichts, Seite 72
Bernd Sabel sen.
Zu den Originalen der besonderen Art gehörte auch der „Alte Sabel“.
An seiner Kleidung konnte man erkennen, ob es Werktag, Samstag in der Winterzeit oder Sonntag war. Am Sonntag trug er stets Anzug und Krawatte. Am Samstag in der Winterzeit zog er ab 10.00 Uhr die grüne Jägerkluft an, denn um 11.00 Uhr war Antreten bei „Barkelings Püttken“.
Vorher war ein Rundschreiben an die Jägerschaft gegangen, das jedes Mal begann: „ An Alle“. An allen anderen Tagen hatte er morgens seine Bäckerkleidung an. Natürlich nur bis zu einem gewissen Alter. Ansonsten war der graue Kittel sein Markenzeichen. In der einen Seitentasche hatte er stets ein großes Schlüsselbund, in der anderen sehr viel Kleingeld (oder in normalem Deutsch: Wechselgeld), mit dem er andauernd klimperte.
Stand er dann in der Gaststätte hinter dem Tresen und die Kunden sprachen ihn auf eine Kneipenrunde an, gab es nur ein deutliches „Nein“ zu Antwort.
Oben auf dem Thekenregal sammelte er 3-Literflaschen Asbach Uralt, angeblich für die Silberhochzeit.
Wenn nun das Gemeckere der Kunden über die Thekenrunde zu viel wurde, konnte es passieren (aber sehr selten), dass er die Haustüre von innen abschloss. Und dann „Oh Gnade Gott“. Nun gab es kostenlos Getränke satt. Wer diese Prozedur einmal mitgemacht hat oder mitmachen musste, kann ein gewaltiges Katerlied davon singen. Die Tür wurde nicht eher wieder geöffnet, bis alle wirklich abgefüllt waren – da half auch kein Abwinken.
Besondere Höhepunkte in der Emsbürener Männergesellschaft waren im Winter das Jagdgeschehen mit anschließendem Umtrunk und „Schüsseltreiben“. Wenn es dann ans Bezahlen ging, blätterte er zuerst in seiner Briefmappe, die immer reichlich gefüllt war mit großen Geldscheinen. Nannte dann die Wirtin den zu zahlenden Betrag, steckte er die Brieftasche wieder ein mit den Worten:“ Dat kann ick noch wall ut't Knipp betalen.“ Sodann zog seinen Geldbeutel…
Wenn er dann einmal im Jahr die Jägerschaft zum „Hammelessen“ einlud, ging natürlich alles auf seine Kosten…
HH
Zusätzliche Anmerkungen dazu von Bernd Robben:
Während meiner zehnjährigen Lehrertätigkeit in Bürn (1976 – 1986) - aber auch danach – habe ich Bernd Sabel sen. in seiner besonderen Art kennen gelernt und das kam so: Nach den regelmäßigen Konferenzen traf sich ein Teil des Lehrerkollegiums in Sabels Gaststätte (heute Cafe) zu Buletten und Bier. Dabei bediente uns fast ausschließlich der Senior. In der Regel waren bald die schulspezifischen Nachgespräche verebbt. Dann setzte sich der "alte Herr" an unseren Tisch – wenn es die Bedienung der übrigen Gäste soeben erlaubte. Fast durchweg übernahm er dann Gesprächsregie, was uns jüngeren Zuhörern angenehm war und wir lauschten interessiert seinen Ausführungen, die nicht selten philosophischer und historischer Art waren.
Immer wieder thematisierte er auch, dass er kein gebürtiger Emsbürener war.
Die Folgen für ihn aus diesem „Makel“ konnte er sehr anschaulich erzählen. Lange Jahre wurde er als „Zugezogener in eine Stehbrut“ von einigen angestammten Dorfbewohnern bewusst auf Distanz gehalten und er ist mehr als kritisch beobachtet worden. Diese Situation hat ihn aber nicht zur Verzweiflung gebracht, sondern noch dazu beflügelt, es diesen Kritikern mal besonders zu zeigen.
Insbesondere seine geschickte „Grundstückspolitik“ hat ihm im Laufe der Jahre eine besondere Anerkennung eingebracht. Bernhard Sabel sen. hatte ein feines Gespür dafür, wenn Grundstücksbesitzer im Bereich des Dorfes „klamm“ waren und Geld brauchten. In seiner verschwiegenen Art nahm er Kontakt auf und kaufte in aller Regel eine Fläche, die sich später bei der Erweiterung der Baugebiete dann als „Sahnestück“ zum Erstaunen der anderen Emsbürener entwickelte.
Diese Vorgänge konnte er so interessant erzählen, dass man in seinen Augenwinkeln dann auch eine klammheimliche Freude über seine geschickte Taktik erkennen konnte.
BR
Fotos: Archive Hölscher, Robben und Sabel
Book Heine und seine „Lissis“
Bei früheren gelegentlichen Besuchen beim "Tauch–unter-Club" waren die besonderen Highlights die spontanen Erzählungen von Pöttker, Groäsken und Book Heine.
Während die Stammtischmitglieder die Geschichten mindestens schon einmal gehört hatten, waren sie für mich als interessierten Zuhörer ja völliges Neuland. Einige dieser Geschichten von Pöttker sind ja auch schon auf dieser Website erschienen.
Eine ganz besondere Theatralik beim Erzählen konnte Book entwickeln. Gerne berichtete er aus seiner Kindheit und Jugendzeit. Besonders eindrucksvoll konnte er fabulieren, wenn es um seine „Lissi's“ ging.
Sie alle waren beteiligt daran, dass er die aus seiner Sicht eklige Ziegenmilch trinken musste. Hubert Hölscher stellt die damaligen Lissi -Damen im Hause Fröhlich vor. Dabei nennt er zunächst die Oma Lissi, die 103 Jahre alt wurde. Auch seine Mutter und eine Tante im Hause trugen diesen Vornamen. Und dann hatte er noch eine Schwester Elisabeth, genannt Liesken, die in Schüttorf verheiratet ist. Auch waren da natürlich die Ziegen im Hause, von denen immer eine Lissi gerufen wurde.
Bei besonders ausgelassenen Abenden im Dorf wurde diese Lissi -Ziege auch schon mal in die benachbarte Gaststätte Kamphues zur allgemeinen Belustigung heimlich entführt, was natürlich unter besonderen Sicherheitsmaßnahmen geschehen musste, damit die anderen Lissis nichts davon erfuhren.
In seiner Beharrlichkeit und dem Gemecker gegen die Ziegenmilch konnte Heinrich – genannt Book – einen Teilerfolg verbuchen: Von der Zeit an wurde die morgendliche Trinkration zur Hälfte mit Kuhmilch gemischt.
BR/HH
Artikel aus der Lingener Tagespost vom 05.06.2000
Emsbüren
,,Warum ist es in Bürn so schön?" Diese Frage werde oft gestellt, die Antwort sei immer die gleiche, stellte Oskar Oldiges, Präsident des Bürgerschützenvereins Emsbüren fest. In Anlehnung an das alte Rheinlied seien in Emsbüren nicht nur die Madel hübsch und lustig und die Burschen recht durstig, in Emsbüren verstehe man kräftig zu feiern, insbesondere beim Schützenfest. Und dieses gelte seit vielen Generationen.
Am Pfingstwochenende feiert der Bürgerschützenverein Emsbüren sein 250-jähriges Bestehen. Die Festtage wurden jetzt mit der Vorstellung der Festschrift, verbunden mit einem Filmabend eingeläutet. In der Festschrift, die von Wichard Wabner und Bernhard Overberg zusammengestellt wurde, wird auf 84 Seiten mit über 100 Fotos aus längst vergessenen Tagen sowie aus der jüngeren Vergangenheit des Bürgerschützenvereins ein Einblick in die Vereinsgeschichte gewährt.
In Textbeiträgen wird an die Entwicklung und an besondere Ereignisse erinnert. ,,Es handelt sich dabei um ein Dokument der Zeitgeschichte", lobte der Präsident die Arbeit der beiden Autoren. Die Festschrift wird zum Preis von 20 DM angeboten und ist bei den Vorstandsmitgliedern sowie in der Buchhandlung Fröhlich erhältlich.
Einen Höhepunkt der Eröffnungsveranstaltung im Saal des Hotel Möller, zu der über 150 Besucher gekommen waren, stellte ein Film mit Ausschnitten von Schützenfesten und Winterfesten dar. Geschäftsführer Karl Schüring hatte in den Filmarchiven von Franz Holterhus, Andreas Möller-Graes und Heiner Schwennen ,,nachgeschaut" und viele interessante Szenen zu einem über zwei Stunden dauernden Film zusammengestellt.
Interessant waren die Rückblicke auf Feste aus den 90-er Jahren, besonders spannend wurde es aber, wenn in den Filmen von Franz Holterhus aus den 60-er Jahren längst verstorbene Emsbürener Bürgerinnen und Bürger zu sehen waren. ,,Kiek äs, use Upa, Albers Jakob, Hinterdings Klem, Poss Dierk, Schopper Franz ...!" Viele alte Emsbürener Originale wirbelten über die Leinwand. Erinnerungen an schöne Feste wurden geweckt, bei denen Jung und Alt und ,,ganz Alt" zusammen feierten.
Zahlreiche Bräuche aus früheren Jahrzehnten sind auch heute noch wichtige Bestandteile des Emsbürener Schützenfestes, wie zum Beispiel das Versteigern der Pfingstbuche. Gemeinsamer Spaß und Freude steht dabei am Pfingstmittwoch im Mittelpunkt. Dieses wurde in den verschiedenen Filmausschnitten immer wieder deutlich. Gelegentlich wurden ,,völlig Unbeteiligte" in den Spaß mit einbezogen, beispielsweise Schwester Dosithea. Die beliebte Ordensschwester, die viele Jahre das Pfarrbüro leitete, radelte an den zum Marsch zum nächsten Gasthof angetretenen Schützenbrüdern vorbei. ,,Book-Heine" lud sie kurzerhand zu einem Tanz auf der Lange Straße ein. Das Panikorchester intonierte spontan einen Walzer. In Anerkennung ihrer Verdienste um die Pfingstbuchenversteigerung verlieh Schopper-Bernd der Nonne einen großen Orden. Der Kommentar eines Besuchers der Filmvorführung: ,,Jetzt weiß ich auch, woher der Begriff 'Ordensfrau' kommt!"
Hausmeister beim lieben Gott
Hausmeister beim lieben Gott!? Was soll das denn sein. Einen schöneren Beruf auf Erden kann man sich doch nicht wünschen. Es hat ihn aber wirklich in Emsbüren gegeben. Allerdings hieß er dann „Kirchenschweizer“. Normalerweise gibt es diesen Beruf nur in den großen Kirchen und Domen, die sehr starken Tourismusbetrieb aufweisen. Man sucht sie mit folgenden Eigenschaften: nicht mehr ganz jung, eine abgeschlossene Berufsausbildung, Engelsgeduld, Menschenkenntnis und ein dickes Fell.
In Emsbüren hat es ihn also gegeben, sein Name Jakob Albers. Von Beruf war er Schuhmachermeister, im 1. Weltkrieg hat er gedient, er war Jahrzehnte auch Totengräber in Emsbüren. Aber auch der letzte Kirchenschweizer mit hoher roter Kopfbedeckung. Er sorgte dafür, daß bei Fronleichnamsprozessionen alles seine Ordnung hatte, er gab das Tempo vor und sorgte für die Gebete bei den Laienprozessionen.
Seine Hauptaufgabe lag aber darin, in der Kirche, überwiegend im Hochamt, für Ordnung zu sorgen. Redete jemand, bekam er schon mal den langen Stab in die Seite gestoßen. Wollte man vor Messeende die Kirche verlassen, so hielt er den langen Schweizerstab quer, so dass man bis zum Ende bleiben musste. Bei der Kollekte tauschte er den Stab dann gegen den Klingelbeutel, der an einer anderen langen Stange befestigt war. War dann ein Kirchgänger ein wenig eingenickt, so konnte er den Klingelbeuten auch schon mal direkt unter der Nase Spüren. Einige Kleidungsstücke des Kirchenschweizers sind noch erhalten. Unter Pastor Meyer zu Schlochtern wurde der Beruf des Schweizers in Emsbüren eingestellt und auch das Totengräberamt ging in andere Hände. Übrigens bekam Jakob Albers in den schweren Zeiten nach dem Kriege für eine Beerdigung 0,50 Pfennig, wie sein noch lebender Sohn Hermann Albers erzählt.
H.H. 2018
Prozession an Fronleichnam im Uphok, vorne Jakob Albers